Rabbit Hole Dolby Atmos

Preisgekröntes Hörspiel in Dolby Atmos

Text: Felix Wege Bilder: Buchfunk Verlag

Block 1

Studierende der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) haben zusammen mit dem Buchfunk Verlag ein Hörspiel in Dolby Atmos produziert – mittlerweile mit Auszeichnungen wie der hr2 Hörbuchbestenliste und dem Preis der deutschen Schallplattenkritik geehrt. Trotzdem war auch diese Produktion ein Lernprozess und zeigt, an welchen Stellen Herausforderungen in Atmos-Produktionen auftreten können.

Block 3

*Bevor es sich zum Guten wend’

Erfahrung dich wird lehren -

Trau dich nur, so let’s pretend

es könnte böse werden.*

Block 4

Alice fällt in den Tunnel und beginnt eine Reise, die fast jeder kennt: Sie folgt einem sprechenden Kaninchen in eine wundersame Welt, lernt verrückte Wesen kennen und stolpert von einer skurrilen Situation zu noch verrückteren, um am Ende unverändert in ihre Welt zurückzukehren: Sie bleibt das gleiche, tendenziell naive kleine Mädchen vom Anfang der Erzählung. Auf Lisa Ossowski vom Buchfunk Verlag übte diese Geschichte schon lange eine große Faszination aus. Dazu gehört auch die Tatsache, dass die Handlung in Bezug auf Alice’ Entwicklung nicht wirklich auserzählt wird. Für Alice und was sie im Wundern fand haben Susanne Aßmann und sie daher eine neue Alice und eine andere Geschichte geschaffen. Dennoch trifft man in dieser auch auf die vertrauten skurrilen Charaktere und deren Welt, in welcher passiert, was eigentlich nicht passieren kann: Vögel können sprechen. Katzen können fliegen. Figuren wachsen oder schrumpfen. Tränen schwellen zu einem gigantischen Meer. Der Stoff bietet somit alles, was man sich wünschen kann, sofern man eine ausufernde immersive Welt erschaffen möchte.

Scripting

Wie in Musik und Film ist 3D-Audio natürlich auch im Hörspiel kein Selbstzweck. Deswegen haben wir diesen Aspekt bei Alice von Anfang an bedacht. Es war von großem Vorteil für das Endergebnis, dass sich Lisa, die Regisseurin und Co-Autorin, regelmäßig mit mir zusammensetzte, um ihre Ideen mit mir durchzusprechen. Dass geköpfte Charaktere (ja, es rollen Köpfe!) von unten zu hören sein sollen oder alles aus Alice‘ Perspektive gehört wird, waren zwar interessante Ansätze, allerdings konnten diese letztlich aus formattechnischen Gründen nicht umgesetzt werden. Die Möglichkeiten und Grenzen mussten aus verschiedenen Perspektiven erst einmal aufgezeigt und ausgelotet werden.

Aus Gründen der Verbreitung und aufgrund der Möglichkeiten des Formats fiel die Wahl für uns schließlich auf Dolby Atmos. Dieser Weg beinhaltete allerdings auch die bewusste Entscheidung gegen Optionen, die sich einem bei der Verwendung von Ambisonics oder reinem binauralem Audio geboten hätten. Dieser Prozess hat sich für uns jedoch gelohnt. Ich habe bereits andere immersive Produktionen gehört, bei denen ich das Gefühl hatte, dass die Autor*innen zwar gute Ideen hatten, sich gleichzeitig aber der Möglichkeiten des Mediums oder des Zielformats nicht bewusst waren. Dies in der Postproduktion zu lösen, führt naturgemäß nicht zu den besten Ergebnissen.

Recording

Bei den Sprachaufnahmen habe ich mich für die klassische Close-Mic-Studioaufnahme entschieden, mit der ich sehr glücklich bin. Die Aufnahme mit einem Hauptmikrofon kann zu großartigen Ergebnissen führen, die einem realistischen Klangeindruck so nah kommen, wie er sonst nur sehr schwer erreichbar ist. Es schränkt aber auch die Skalierung des Wiedergabesystems ein und bindet das Sounddesign vollkommen an die Performance der Aufnahme. Ein Larger-than-life-Eindruck ist so nur schwer zu erreichen. Für unseren Inhalt, der wirklich weit von jeglicher Realität entfernt ist, war unser Vorgehen jedoch die richtige Entscheidung, die uns außerdem für die Postproduktion alle Möglichkeiten offenhielt.

Noch ein kleiner Tipp: In der ersten Session die verrückteste Szene aufnehmen! Das setzt Maßstäbe für alle anderen Sprecher*innen. Diese haben sich die Szene vorab angehört und stellten fest: „Aah, sowas wollt ihr also!”

Postproduktion

Die Vorteile des objektbasierten Arbeitens, das flexiblere Panning im oberen Layer, die Optionen der Binauralisierung oder die Möglichkeit, über 7.1.4 bei der Wiedergabe hinauszugehen, hören sich erstmal gut an. Ein großartiger Moment war, als ich mein ADM (Audio Definition Model) im Planetarium Halle über den Spatial Audio Designer Processor (SAD-P) ausprobieren und bereits ohne Anpassungen ein passables Hörergebnis realisiert werden konnte. Ich war begeistert von der Möglichkeit, die Erzählerin als Im-Kopf-Lokalisation umsetzen zu können. Dieser Kniff wurde allerdings mit Schmerz und Graus erkauft, was True Peak und Lautheit betrifft. So etwas dynamisches wie unser Hörspiel ohne Bus-Kompression oder einen Limiter in den Griff zu bekommen, ist nichts für schwache Nerven.

Eine große Hoffnung für mich war der Limiter im Dolby-Atmos-Assembler, welcher sich während der Arbeit dann aber eher als Kompressor mit undurchschaubarer Ratio enttarnte. So kommt das auf True Peak normalisierte Ergebnis mit -23 LUFS-I vergleichsweise dynamisch daher – die P-LOUD-Gruppe wird sich freuen.

Distribution

Hier gibt es eine Reihe von Baustellen, die leider zeigen, dass Dolby Atmos als Format zwar an Verbreitung gewinnen mag, aber anscheinend noch nicht so etabliert ist, wie man es sich wünscht. Da gibt es zum einen Audible, eine Plattform, die man schon fast als den Hörbuchmarkt bezeichnen könnte. 2023 haben 74 % der Konsument*innen von Hörbüchern Audible genutzt. Man kommt demnach nicht an diesem Riesen vorbei. Allerdings stellt die Infrastruktur des Anbieters im Backend zunächst einmal keine Möglichkeit bereit, um Atmos zu distribuieren. Eine Nachfrage ergab, dass dies aktuell auch nicht angedacht ist. Die Plattform möchte zunächst ihre eigenen Atmos-Produktionen hervorheben. Die Tatsache, dass Audible keine eigenen deutschsprachigen Produktionen in dem Format anbietet, lässt das Argument jedoch irgendwie blass erscheinen.

Zum Glück gibt es noch andere Plattformen. Als wichtige Anlaufstelle für Atmos -Inhalte hat sich inzwischen Apple Music herauskristallisiert. Hier existieren sogar spezielle Seiten für Musik und Hörspiele in Dolby Atmos, nach denen sich mittels entsprechender Kategorien auch ermitteln lässt, in welcher Rubrik man schließlich aufgeführt werden könnte.

Hier steht uns allerdings eine vertragliche Hürde im Weg. Alle Veröffentlichungen vom Buchfunk-Verlag, die im Streaming landen, werden über einen Aggregator distribuiert, der keine Infrastruktur für Atmos bereitstellt. Es bleiben uns also aktuell nur andere Download-basierte digitale Vertriebswege. Alle etablierten Shops bieten Alice und was sie im Wundern fand als Stereo- und als Kopfhörervariante an.

Fazit

Wir sind sehr glücklich mit unserem Hörspiel. Die ersten Auszeichnungen sind da und das Feedback ist bisher durchweg positiv. Trotzdem würde ich bei einem nächsten Mal in einigen Aspekten anders verfahren: Format- und Workflowentscheidungen werden beispielsweise das nächste Mal mit mehr Voraussicht abgewogen. Halten wir fest: Es wird ein nächstes Mal geben – es bleibt spannend!

Block 11

Felix Wege arbeitet seit seinem Abschluss an der HTWK Leipzig beim Buchfunk-Verlag und -Studio als Toningenieur und Mischtonmeister für Hörspiel. Seit Ende 2023 ist er zudem wieder an der HTWK und dort als Lehrkraft für immersive Medien mit dem Schwerpunkt 3D-Audio tätig.