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Nach gut eineinhalbjähriger Bauzeit erklangen im Oktober 2021 die ersten Töne in der neuen Isarphilharmonie in München. Der Bau, zur Eröffnung hochgepriesen wegen seiner niedrigen Baukosten und fabelhaften Akustik, wurde notwendig durch die Schließung des knapp vierzig Jahre alten Kulturzentrums im Gasteig, Europas größtem Bau dieser Art. Eine Generalsanierung steht dort an, mit noch unbekanntem Datum für Anfang und Ende der Arbeiten. Die Münchner Gruppe der VDT-Tonmeister war gespannt, als sie am 11. Januar 2023 einen Blick hinter die Kulissen werfen konnte. Martin Wöhr, VDT-Mitglied und eifriger Konzertbesucher, unterhielt sich danach mit Peter Brümmer, langjährigem Tonmeister in der Philharmonie im Gasteig und profundem Kenner der Situation, sowie mit Tomas Bastian, der im Anschluss an die VDT-Veranstaltung ein Konzert der Münchner Philharmoniker besuchte.
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Martin Wöhr: Isarphilharmonie, ein schöner Name. Neben uns rauscht der Fluss, unter uns strömt heißes Wasser für Geothermie aus 3000 Metern Tiefe. Kürzlich platzte ein Sprinkler im Gebäude und setzte einen Technikraum für ein paar Tage außer Betrieb. Bei unserem Besuch regnete es. Viel Wasser ringsum.
Peter Brümmer: Ja, das stimmt. Aber es gibt auch viel schöne Musik hier zu erleben! Das Grundstück, auf dem die Isarphilharmonie gebaut wurde, gehört den Stadtwerken. Die Halle E, die als Foyer der Isarphilharmonie dient, ist ein denkmalgeschützter Industriebau aus den 1920er-Jahren. Dort wurden früher große Transformatoren repariert; die Gleise im Fußboden und die Laufkräne an der Decke zeugen noch von dieser Zeit. Keine leichte Aufgabe für die Architekten, Altes und Neues zu verbinden. Kaum etwas durfte verändert werden. Besonders hervorzuheben ist das alte Glasdach im Giebel, welches aufwendig renoviert wurde und das dem Foyer in großer Höhe ein abwechslungsreiches Tageslicht spendet. Das stylische Ambiente wurde vom Münchner Publikum sofort begeistert angenommen.
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Nun ist das alte Gebäude mit dem Foyer ja nur Teil eines neuen Ganzen. Es kamen weitere Bauten in Modulbauweise hinzu.
Richtig. Teile der Stadtbibliothek, der Volkshochschule und der Musikhochschule sind, neben den Münchner Philharmonikern, ebenfalls hier zu Hause. Alles nur ein wenig kleiner. Der alte Standort steht nun für einige Jahre nicht zur Verfügung; Ersatz musste geschaffen werden. Sogar ein kleines digitales Kino ist da, in welchem Filme gezeigt werden, die für große Kinos unrentabel wären. Jetzt herrscht hier ein lebendiges Treiben, den ganzen Tag über. Ähnlich wie im alten Gasteig. Das Gefühl eines Kulturzentrums lebt weiter in diesem Interimsbau. Das war den Planern wichtig.
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Die Besucher kommen mit großer Erwartung. Vom Foyer im alten Industriedesign sind es nur wenige Schritte in den modernen Konzertsaal, keine Treppe stört. Schon steht man im Parkett, seitlich, fast genau an der Bühnenkante.
Das ist ein großer Vorteil, alles im Erdgeschoss ist barrierefrei. Die Frage damals war: Wie baut man an diese ehemalige Trafohalle anschließend einen Konzertsaal für 1900 Besucher? Man hat rasch entschieden, dass man einen Neubau macht – eine zweite „Schachtel“ mit ähnlichen Ausmaßen wie die Halle E, direkt an deren Längsseite gebaut – und bringt so den Konzertsaal dort unter.
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Im ersten Moment ist man überrascht, wenn man den Raum betritt: Alles ist in Schwarz gehalten. Schwarz die strukturierten Wände, schwarz die Sitze im ansteigenden Parkett, schwarz die Gittergeländer und Verblendungen auf den Rängen, schwarz die abgehängten Beschallungslautsprecher und Scheinwerfer. Nur die Bühne und Böden strahlen im hellen Ton des Holzes.
Peter Brümmer: Genau, das war die Absicht von Yasuhisa Toyota, der die Akustik für den Saal konzipiert hat: völlige Konzentration der Zuschauer auf die Bühne; den Fokus auf das Orchester lenken, das war ihm wichtig. Es ist ein Erlebnis, wenn man dort Konzerte besucht.
Tomas Bastian: Ich fand es spannend, als ich bei dem Konzert hinter dem Orchester auf dem Chorbalkon saß. Den Musikerinnen und Musikern zuzuschauen, wie sie bei diesem komplexen Werk – den sechs Stücken für Orchester von Anton Webern – arbeiten. Gerade den Schlagwerkern, die mit großer Feinheit und gutem Gespür ihren zahlreichen Instrumenten die Töne entlockten. Das war großartig, auch akustisch. Diese physische Nähe zu den Musikern übte einen besonderen Reiz aus.
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Der Saal ist in Schuhschachtelform gebaut: Ein wenig zu breit, bezogen auf die Länge. Aber das ist wohl den Gegebenheiten des Grundstücks geschuldet. Deshalb gibt es auch keinen Platz für eine Orgel über der Bühne. Wie wurde der Saal gebaut?
Peter Brümmer: Die Außenwände bestehen aus einer Stahlkonstruktion im Industriebaustil, in der die Holzkonstruktion des Konzertsaals eingehängt ist. Im Saal selbst ist die horizontale Lattenstruktur der Raumakustik mit ihren unterschiedlichen Oberflächenprofilen sichtbar. Das war eine einfache, schnelle und preiswerte Methode, die Konzertstätte herzustellen. Man bedenke: Die Kosten für den Raum lagen rekordverdächtig bei nur etwa 40 Millionen Euro. Das Parkett ist ansteigend, darüber befinden sich zwei Ebenen mit hinteren und seitlichen Rängen mit Zugängen aus dem Foyer. Die Decke besteht aus einem durchgehenden Gitterrost mit Kabeldurchgängen für Beleuchtung, Beschallung und Mikrofone, nach unten mit Holz verschalt. Alles ist sehr gut zugänglich. Das abgehängte Hauptmikrofonsystem ist als Decca-Tree mit Outriggern ausgeführt, für die Surroundsignale werden ein Hamasaki-Square oder einzeln hängende Kugeln verwendet, je nach Setup und Vorlieben der Tonmeister.
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Und die Lage der technischen Betriebsräume für den Saal?
Diese befinden sich an der Saalrückseite, zwischen den beiden Rängen, mit freiem Blick zur Bühne: Beleuchtungsregie, Saaltonregie, Lichtverfolger, Projektionsraum und Sprecherraum für Rundfunkübertragungen.
Die Tonregie …
… ist im rückwärtigen Betriebsgang, neben den Stimmzimmern für das Orchester.
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Auf dem Weg dorthin ist es eng. Vom Flur unter dem ansteigenden Parkett geht es zu mehreren Stimmzimmern und in die Tonregie; da drängelt es sich, wenn zur Bühne gerufen wird.
Ja, viel Platz gibt es nicht. Auch im Regieraum können sich neben den Gerätschaften nur wenige Menschen aufhalten. Technisch sind wir aber gut eingerichtet. Aus der alten Philharmonie wurde das Studer 52 Fader VistaX-Mischpult hierher versetzt, mit Pro Tools und Sequoia als Mitschnittsystem für Produktionen der Münchner Philharmoniker und zwei weiteren Sequoia-Workstations für Aufnahmen und Livesendungen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Hinzu kommen die notwendigen Schnittstellen für das Sendenetzwerk sowie eine Vielzahl von Lautsprechern für Mehrkanalton und Monitoren für Überwachung und Saalvorschau. Die Gasteig München GmbH und der Bayerische Rundfunk teilen sich die Regie.
Auch das Leitungsnetz?
Ja. Im Patchraum im 1. OG neben der Bühne befinden sich die Gestelle für die Stageboxen mit den A/D-Wandlern, der Stromversorgung und den Signalleitungen. Bis zu 80 Mikrofone können angeschlossen werden. Von dort geht es über MADI-Leitungen in die Tonregie.
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Nochmals zurück in den Saal: Wie klingt er? Es wurden ja nach der Eröffnung Lobeshymnen über die Akustik verbreitet.
Peter Brümmer: Toyota hatte, pandemiebedingt, keine Gelegenheit, den Bau vor Ort begleiten zu können. Er durfte nicht zwischen Japan und München hin und her reisen. Er bekam deshalb die Baupläne aus München digital zugesendet und schickte seine Pläne zurück, die dann exakt umgesetzt wurden. Erst kurz vor der Eröffnung sah er den Saal erstmals in der Realität – so wird erzählt, ich war leider nicht mit dabei. Er kam in den Saal, baute aber nicht erst mal Messgeräte auf, sondern verteilte Papiertüten an seine Mitarbeiter. Die Tüten ließ er reihum platzen und hörte sich die Reflexionen an. Das ist eine interessante Art und Weise, die Akustik eines Saales zu beurteilen.
Tomas Bastian: Das Gefühl zu haben, jeden einzelnen Ton zu hören und auch zu spüren, schärft die Aufmerksamkeit. Besonders gut empfand ich das im Konzert bei der Lemminkäinen-Suite von Jean Sibelius. Da wogte der Klang durch das ganze Orchester, in breiten Wellen ging er durch die Instrumente. Ich spürte die Bässe nahezu körperlich – beeindruckend! Ich habe mir direkt Karten für ein weiteres Konzert gekauft. Da werde ich im Rang sitzen und habe zum Vergleich das Orchester vor mir.
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### Viele Besucher loben die Durchsichtigkeit der Akustik. Mir fehlt als Zuhörer im Saal die Verschmelzung des Klangs, die Aura, die sich in vielen berühmten Sälen einstellt. Das Blech wird schnell laut und knallig. Es steht für sich allein da, auch sichtbar. Peter Brümmer: In den vorderen Reihen klingen die Instrumente recht direkt, das stimmt. Je weiter man sich aber in den Saal hineinbewegt, umso mehr kommen die Reflexionen ins Spiel und geben dem Klang eine gewisse analytische Homogenität. Das ist Toyotas Stil. Interessant zu hören ist, wenn man auf dem Chorbalkon über dem Orchester in die Hände klatscht. Man hört genau, wie der Peak wegläuft und der Raumhall sich im Saal entwickelt. Tomas Bastian: Bei meinem zweiten Konzert in der Isarphilharmonie hörte ich Symphonien von Mahler und Schostakowitsch. Diesmal saß ich im Rang und hatte den nahen Klang noch im Ohr. Nun war mir fast alles zu weit weg; mir fehlte da oben die physische Nähe vom vorhergehenden Abend, auch die klangliche Tiefe. Alles war recht offen. Dennoch: Die einzelnen Instrumente kamen gut zur Geltung, das gefiel mir.: Das feine Sopransolo am Schluss der 4. Sinfonie von Mahler ging allerdings deshalb wohl ein wenig unter.
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Was gibt es auf dem Gelände noch zu sehen?
Peter Brümmer: Im kleineren Nachbargebäude wurde ein Saal für 250 Personen gebaut. Mit seiner modernen Beschallungsanlage und Lichttechnik – alles ebenfalls aus dem alten Gasteig mitgebracht – wird er für Vorträge, kleinere Veranstaltungen, Bands und Jazz-Konzerte genutzt. Studierende der Musikhochschule treten hier gerne auf. Momentan gibt es wegen paralleler Wände noch störende Flatterechos, aber daran wird gearbeitet. Auch könnte die Raumhöhe ein wenig größer sein. Da gab es bauseits leider Einwände dagegen. Es ist eben alles ein Interim!
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Dann lass uns noch die beiden neuen Modulbauten auf dem Gelände anschauen. Wer ist da zuhause?
Im sechsstöckigen Haus K hat die Münchner Volkshochschule ihre Heimat gefunden. Es gibt auch einen kleinen Saal für gut 50 Zuhörer. Dort können auch Aufnahmen gemacht werden. Die Saal-Regie dazu ist zu klein. Es gibt jedoch Glasfaser-Verbindungen zum Haus G, in dem die Außenstelle der Musikhochschule u. a. mit dem Jazz-Institut untergebracht ist. Neben dem dortigen kleinen Tonstudio ist ein etwas größerer Raum, der mittendrin eine Säule hat. Das ist der Probenraum für Big-Bands. Hinzu kommen noch weitere Unterrichts- und Übungsräume für die Hochschule. Und schließlich – last, but not least – braucht es auch Räume für die Administration der Münchner Philharmoniker, der Musikhochschule und der Gasteig München GmbH. Diese sind ebenfalls hier untergebracht.
Man muss dem Münchner Stadtrat gratulieren, derart rasch einen funktionierenden Ersatz für die Zeit der Sanierung des Gasteigs auf die Beine gestellt zu haben. Niemand weiß jedoch, wie lange dieses Interim in Betrieb ist.
Wir alle hoffen, dass in spätestens zehn Jahren der Rückzug in einen erneuerten Gasteig vollzogen ist. Noch fehlt der Stadt das Geld. Deshalb wird nun nach einem Investor gesucht. Parallel gibt es ja außerdem die Debatte um ein neues Konzerthaus des Freistaats Bayern.
Da ist leider auch noch nichts entschieden – Denkpause, wie es aus der Bayerischen Staatskanzlei heißt. Die Kultur leidet in unguten Zeiten immer am meisten. Ich danke euch für das Gespräch!
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Der Autor und Interviewer
Martin Wöhr verbrachte sein Arbeitsleben beim Bayerischen Rundfunk, zunächst als Toningenieur und später als Leiter der Studioproduktion und des Hörfunkbetriebs in München. Nach seinem Ruhestand Ende 2005 war er vier Jahre lang Geschäftsführer des Bildungswerks im VDT, heute plagt ihn die Sorge um das neue Konzerthaus in seiner Heimatstadt München.