Block 1
Im Berliner Raum bestehen vielfältige Infrastrukturen für die wissenschaftliche Forschung zu den Themen Extended Reality (XR), Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Dazu gehören Einrichtungen zur Erzeugung von Extended Reality im visuellen, auditiven und haptischen Bereich. Untersucht wird unter anderem die Interaktion mit solchen Realitäten. Die vorhandenen Ressourcen sind allerdings auf unterschiedliche Institutionen und Fakultäten verteilt. Um diese zu vernetzen, wurde kürzlich das Berlin XR Lab gegründet, und zwar von der Berliner Universitätsallianz (BUA) sowie weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen im Berliner Raum. Die am Berlin XR Lab beteiligten Wissenschaftler pflegen intensiven wissenschaftlichen Austausch miteinander und initiieren neue Projekte auf allen Ebenen ihrer Forschungsbereiche (z. B. studentische Arbeiten, Doktorarbeiten und Drittmittelprojekte).
Block 2
Das Mixed Reality Design Lab
Das Mixed Reality Design Lab von TU und UdK Berlin ist eines der Bestandteile des Berlin XR Lab. Es arbeitet an computergestützten Entwurfsmethoden in den Bereichen Architektur, Bauphysik und Akustik. Der Schwerpunkt liegt im generativen Entwurf von Räumen und auditiven Szenen (z. B. Soundscapes) sowie in der unmittelbaren Erfahrbarkeit der Entwürfe durch Virtual- und Augmented- Reality-Techniken. Für die Akustik stehen Einrichtungen zur szenenbezogenen Darbietung (Schallfeldsynthese) sowie zur dynamischen kopfbezogenen Darbietung (Binauralsynthese) zur Verfügung.
Prof. Weinzierl gab in seiner Vorlesung einen Überblick über die Voraussetzungen der benötigten Hardware sowie über das entwickelte Software- Framework des Mixed Reality Design Lab. Er demonstrierte Beispiele von virtuellen auditiven Umgebungen, die in laufenden Forschungsprojekten realisiert sind. Für die Darbietung mittels Schallfeldsynthese wird eine Mehrkanal- Lautsprecheranordnung benutzt, deren Ansteuersignale durch Ambisonics erzeugt werden. Dieses Format wurde wegen der leichten Skalierbarkeit gewählt. So lassen sich z. B. die Signale für unterschiedliche Lautsprecher- Anordnungen durch einfache Dämpfungsglieder anpassen und Drehbewegungen des erzeugten Schallfeldes besonders leicht durchführen. Für die Darbietung mittels kopfbezogener Binauralsynthese wird ein VR- Helm verwendet, der neben zwei Kopfhörern ein visuelles Display aufweist. Die Position des Helms im Raum wird mit einem Tracking-System (Optitrack) kontinuierlich verfolgt. Die Ohrsignale und Bildschirmbilder werden ständig so berechnet, dass die Nutzer eine raumkonstante Umgebung erleben – zum Beispiel dreht sich der virtuelle Raum bei Kopfdrehungen nicht mit.
Block 3
Binaurale Darstellung virtueller Umgebungen
Die Erzeugung virtueller Umgebungen erfolgt entweder mit Messdaten aus realen Umgebungen oder über Computermodelle. Die Abbildung erläutert die wesentlichen Schritte schematisch am Beispiel der dynamischen Binauralsynthese.
Für die binaurale Darbietung ist die Kenntnis der Parameter der Übertragungswege von allen Schallquellen zum Zuhörer notwendig. Deren Beschreibung geschieht durch sog. Außenohr- Impulsantworten (Head-related impulse responses, HRIR). Sie werden in der Regel in einem reflexionsarmen Raum gemessen. Zusätzlich benötigt man die Parameter der Ausbreitungswege in der gegebenen akustischen Umgebung, zum Beispiel einem Konzertsaal. Hierbei gehen alle Eigenschaften der Ausbreitungswege mit ein – so etwa Reflektionen an Wänden, Abschattungen durch Hindernisse, Beugung und Streuung.
Anstatt durch Messungen können die Übertragungsparameter auch mit Computer- Modellen näherungsweise ermittelt werden. Hierzu wird als Näherungsmethode oft das Raytracing-Verfahren verwendet. Dabei sendet die virtuelle Quelle eine Vielzahl von Schallenergie- Paketen in alle Raumrichtungen aus und verfolgt deren Schicksale entsprechend den Regeln strahlförmiger Ausbreitung. Die am Empfänger eintreffenden Energiepakete werden zeitspezifisch aufaddiert. Die resultierende sog. Raum- Energieimpulsantwort stellt betragsmäßig das Quadrat der Raumimpulsantwort (RIR) dar. Die Ohrsignale, die auf die Kopfhörer übertragen werden, ergeben sich durch anschließende Faltung des Quellsignals (z. B. einem Musikstück) mit der HRIR und der RIR, also der Kettenschaltung der akustischen Parameter von Raum und Außenohr.
Block 4
Architektur akustisch gut planen
Die Bereitstellung geeigneter auditiver Präsentationsverfahren ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Auralisierung (Hörbarmachung) virtueller Umgebungen. Die eigentlichen Arbeitsziele des Mixed Reality Design Lab reichen jedoch weiter: Es wird ein Softwarepaket entwickelt, mit dem Bauprojekte algorithmisch optimiert werden können. Wichtig ist dabei, dass die verwendeten Optimierungskriterien quantifizierbar und empfohlene oder genormte Zielwerte bekannt sind.
Das Optimierungsverfahren schlägt eine Entwurfsvariante mit optimaler Qualität vor. Unterschiedliche Optimierungsverfahren, u. a. genetische Algorithmen, werden zurzeit erprobt. Anstelle eines globalen absoluten Optimums können auch mehrere relative Optima gefunden werden. Dann muss der Bauherr gegebenenfalls eine Entscheidung zwischen den Varianten treffen. Eine Veröffentlichung zu dem Software-Framework ist in Vorbereitung.
Block 5
Eine runde Veranstaltung
Die anwesenden Mitglieder der VDT-Regionalgruppe waren von dem Vortrag und den Vorführungen sehr beindruckt und gingen mit dem Gefühl, sehr viel gelernt oder zumindest aufgefrischt zu haben. Ihr Dank gilt den Veranstaltern und den Vortragenden.
Block 6
Über das Berlin Open Lab
Die Veranstaltung fand statt im Berlin Open Lab. Auf dessen Webseite heißt es: „Berlin Open Lab is an experimental space for transdisciplinary research projects at the intersection of technology, society and arts based on Campus Charlottenburg in Berlin. https://berlin-open-lab.org/
Block 7
Der Autor
Prof. Dr. Jens Blauert leitete nach seiner Habilitation das Institut für Kommunikationsakustik an der Ruhr Universität Bochum. Von seinen zahlreichen Veröffentlichungen sind Räumliches Hören (Spatial Hearing) und The Technology of Binaural Listening internationale Standardwerke geworden. Er prägte die technische Anwendung des binauralen Hörens und der Psychoakustik nachhaltig und erhielt 2014 die Ehrenmedaille des VDT.