Block 1
Das Gebiet der Audioproduktion verbindet das technische Knowhow mit dem kreativen Arbeiten. Doch noch mehr als viele Berufsfelder im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) wird das Gebiet der Audiogestaltung nach wie vor von Männern dominiert. Um diese Tatsache langfristig zu verändern, bei jungen Frauen Interesse an diesem Bereich zu wecken und so den Frauenanteil unter den Tonschaffenden zu erhöhen, wurde die neue virtuelle Veranstaltungsreihe Women in Sound ins Leben gerufen: Beeindruckende „Sound Women“ erzählen in dieser Veranstaltungsreihe über ihren Werdegang, ihre Erfahrungen, über Hoch- und Tiefpunkte in ihrem beruflichen Kontext sowie den ständigen Veränderungen in Medientechnik und Medienproduktion.
Die Fragestellung
Sind Frauen heutzutage tatsächlich schon gleichberechtigt in unserer Branche? Nicht nur hinsichtlich der Bezahlung, sondern auch in ihrer Funktion als Entscheidungsträgerinnen und Managerinnen, besonders in Bezug auf ihre enorme fachliche Kompetenz und Erfahrung? Welche Rolle spielen Klischeedenken und Sexismus nach wie vor? Welche Vorteile ergeben sich bei audiovisuellen Produktionen und Veranstaltungen, wenn Frauen gleichberechtigt und auf Augenhöhe in den Teams mitarbeiten (können) und/oder diese leiten? Nur etwa vier Prozent der Film- und Tonschaffenden in Deutschland sind Frauen.
Eindeutig viel zu wenige, aber warum ist der Wert in unserer Branche so gering und was kann getan werden, damit sich dies bald ändert? Genau das möchten wir in dieser Veranstaltungsreihe diskutieren. Umso erfreulicher war es für uns, dass der Auftakt im Februar 2022 gleich ein großer Erfolg war: Mehr als 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten wir online begrüßen. Dies lag sicherlich auch an der Mitwirkung der ersten zwei sehr interessanten Tonfrauen und ihrer beeindruckenden Expertise.
Block 3
Viele Hochkaräterinnen
Nennen wir Daniela Rieger, seit 2022 Vorstandsmitglied und seit Mai 2023 Vizepräsidentin des VDT. Sie arbeitet als Toningenieurin beim Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen in der Abteilung für Audio und Medientechnologien. Von ihren Freunden wurde sie oft „Quoten-Dani“ genannt, da sie lange Zeit die einzige Frau in ihrem beruflichen Umfeld war. Mittlerweile ist sie in ihrer Abteilung erfreulicherweise nicht mehr die einzige Mitarbeiterin. Eine positive Entwicklung, wie sie findet, auch weil nach ihrer Erfahrung die Dynamik in gemischten Teams besser ist. Um mehr Frauen zum Ton zu bringen, sieht Daniela Rieger einige konkrete Ansatzpunkte: So müssten beispielsweise Ausbildungsangebote und VDT 3-2023 MyVDT 51 Tonstudiengänge – insbesondere bei jungen Frauen – „in den Köpfen präsenter“ werden, denn „wenn man nicht weiß, dass es diese Berufe in unserer Branche gibt, wird man in dieser Branche auch nicht studieren“. Auch die Gesellschaft sei gefragt: So sollten Geschlechterklischees, die häufig schon von Geburt an beginnen, hinterfragt werden; Strukturen, Denkmuster und Sprache müssten geändert werden, um alle Tonmenschen einzuschließen.
Block 4
Mit Diplom-Tonmeisterin Teresa Kunz gab eine zweite starke „Sound Woman“ Einblicke in ihren beruflichen Alltag als Tonmeisterin an der Frankfurter Oper. Sie zeigte einige Beispiele ihrer Arbeit, wie zum Beispiel die Live-Übertragung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Requiem“ aus der Reihe „Oper Frankfurt Zuhause“, bei der sie neben der Tonbetreuung auch für den Videoschnitt verantwortlich war.
Block 5
Daria Someșan (Filmtonmeisterin und Sound Designerin), Ulrike Anderson (Grammy-nominierte Toningenieurin und Produzentin akustischer Musik, Präsidentin des VDT), Rike Wiebelitz (Geigerin, Toningenieurin, Hörspiel-Komponistin und Hörspielingenieurin beim WDR), Jana Peil (Sounddesignerin, Hörspiel-Regisseurin, Story-Tellerin), Jana Gretenkort (Studentin der Medienproduktion und Medientechnik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Amberg), Marina Dötterl (Veranstaltungstechnikerin und Toningenieurin) und Banu Sahin (Präsidentin der AES Germany) berichteten in weiteren Veranstaltungen von Women in Sound nicht nur über ihre aktuelle berufliche Situation, sondern auch über die typischen Probleme mit (männlichem) Sexismus sowie über die Zurücksetzung und Benachteiligung von Frauen innerhalb der Tonbranche. Nach den spannenden Einblicken der Referentinnen entwickelte sich nicht selten eine intensive Diskussion zwischen den Teilnehmenden. Unter anderem über die Frage, ob es einen „männlichen“ oder „weiblichen“ Sound gebe bzw. ob ein „männliches“ oder „weibliches“ Denken innerhalb des Produktionsprozesses existiere. Oder ob Frauen in Teilbereichen der Branche besser seien als ihre männlichen Kollegen. Wobei Teresa Kunz klarstellte, dass es eher um die individuellen Stärken unabhängig vom Geschlecht gehen sollte.
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Nicht nur virtuell
Zur nächsten „Tonschaffendentagung“ – auch der „männliche“ Name unseres Verbandes und die maskuline Bezeichnung der Verbandstagung wurden in der Veranstaltungsreihe mehrmals kritisch hinterfragt – ist im kommenden November erstmalig eine Präsenzversion von Women in Sound geplant. Wir konnten Jana Gretenkort im Rahmen ihrer Bachelorarbeit „Berufstätige Frauen in der deutschsprachigen Filmbranche“ gewinnen, die Ergebnisse ihrer Unter suchungen und Umfragen live mit einer anschließenden Podiumsdiskussion zu präsentieren. Ab 2024 wird die Reihe „Women in Sound“ in ihrer inzwischen bewährten Online-Form fortgesetzt.
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Der Autor
Maximilian Kock versucht – nicht nur im Rahmen seiner Lehre als Professor für Audioproduktion im Studiengang Medientechnik und Medienproduktion – den Anteil der in der Tonbranche berufstätigen Frauen zu erhöhen. Zusammen mit Ingo Weismantel und Hendrik Henkemeier leitet er das Referat Aus- und Weiterbildung des VDT.